Peru – 8., 9., 10. und 11. Tag
Wir stehen um 3.30h auf und erleben den Rest des Tages im Tran. Tatsächlich kommt unser Fahrzeug erst um 4.30h. Wir sind die ersten. Die aufgenommen werden – warum können wir nicht die letzten sein? Erst später erfahren wir, dass allen Mitreisenden gesagt wurde, das sie sich zwischen 4.00h und 4.15h bereithalten sollen.
Jetzt sitze ich hier auf der Veranda unseres Bungalows in der Erika-Lodge. Zusammen mit der Frau des israelischen Ehepaares. Wir haben beide beim Kletterpark abgesagt. Sie, weil sie Angst hat; ich, weil ich bereits zweimal eine halbe Stunde auf der Latrine zugebracht habe. Aber immer schön der Reihe nach:
Der Sonnenaufgang über Cusco entschädigt nur mäßig für die Tortur, so früh aufstehen zu müssen. Langsam quält sich das Fahrzeug die Berge hoch. Jawohl, hoch! Obwohl wir in Cusco auf 3.600m sind, müssen wir erst einige Berge überwi
nden, bis wir an der St. Pedro Lodge für die erste Übernachtung ankommen. Sieben Stunden Fahrt sind angesagt. Und das in einem Fahrzeug, das technisch den ausgehenden Fünfzigern entspricht. Der Diesel des Ford Clubman nagelt so laut, dass ständig mit einem Totalausfall zu rechnen ist. Den haben wir auch, allerdings durch einen Plattfuß. Nach dem einen oder anderen freiwilligen Stopp in Andendörfern, müssen wir auf freier Strecke anhalten, weil der Schlappen hinten rechts schlapp gemacht hat. Ist aber nicht so schlimm, weil a) der Reifen sowieso kein Profil mehr hatte und weil b) der Fahrer sehr geübt im Radwechsel ist. Dem hydraulischen Wagenheber fehlt der Hebel, aber der wird kurzerhand durch eine Kombizange ersetzt. Der Ersatzreifen vom Dachgepäckträger hat ebenfalls kein Profil. Ich werde misstrauisch und gehe alle vier Räder ab. Zunächst stelle ich fest, dass es weniger Radmuttern als Radbolzen gibt, dann fällt mir auch noch auf,
dass mindestens ein Radbolzen fehlt – da ist nur ein Loch mit Gewinde. Die eh schon schlechte Laune wird noch schlechter. Der defekte Reifen wird im nächsten Ort innerhalb einer halben Stunde repariert. Das fehlende Profil bleibt wie es ist. Erst am nächsten Tag werde ich Gelegenheit haben, in einem unbeobachteten Augenblick, das Spiel in der Lenkung zu überprüfen: Etwa 25° bis 30° würde ich schätzen. Dazu muss man wissen, dass wir uns stundenlang auf Pisten bewegen. Auf Straßen, die in die Berge gesprengt wurden und auf der Talseite ungesichert sind. Da geht es oft mehrere hundert Meter steil abwärts. Es reicht aber noch nicht, um mich religiös werden zu lassen.
Nachdem wir unsere Zimmer in Beschlag genommen haben, geht es zur ersten Erkundung. Wir wolle
n den peruanischen Wappenvogel 'Cock-of-the-Rock' beobachten. Bereits beim Hinweg (es werden so um die vier Kilometer sein), merke ich, dass etwas nicht stimmt. Die Strapazen der letzten Tage fordern ihren Tribut. Cusco auf 3.600m, die Inkastätten um Cusco erklettert, Machu Picchu auf 2.600m erklettert und das frühe Aufstehen und die lange fahrt. Mein Darm rebelliert und wird das auch noch die nächsten Tage tun. Mir tun die Knie weh und jede Treppenstufe ist eine Herausforderung. Dazu kommt noch, dass es jetzt spät wird und kaum noch Fotos zu machen sind. Die Vögel sind scheu und das 250er Objektiv reicht auch nicht mehr. Ich will ins Bett.
Am nächsten Morgen geht es we
iter zur Erika-Lodge. Der Wagen setzt uns nach kurzer Fahrt ab. Wir wollen den Fluß per Raft bezwingen. Meine physische und psychische Verfassung lässt das nicht zu, aber ich muss mit. Ich bereue es auch nicht. Nachdem wir zwei mäßige Stromschnellen bezwungen haben, geht es gemächlich weiter. Wir will, darf Schwimmen. Fast alle wollen und Kappen und Sonnenbrillen werden verstaut. Mit der Schwimmweste bleiben Raft und Schwimmer auf gleicher Höhe. Dann wird noch ein etwa 5 Meter hoher Felsen angesteuert und die Mutigen dürfen von da aus ins trübe Wasser springen. Ich kneife aufgrund des Zustandes meiner mittleren Körperregion, aber Heike springt gleich zweimal.
Bei unserer Ankunft steht unser Gepäck bereit und wir verladen es auf ein flaches Boot. Sofort kommen mit Bogart und Hepburn in 'Africa Queen' in den Sinn. Die Boote sind ähnlich, verfügen aber anstatt einer alten Dampfmaschine über einen modernen Yamaha-Außenborder. Mit den Booten erreichen wir dann bald die Erika-Lodge, unser Domizil für die nächsten zwei Nächte. Nach dem Abendessen ist noch eine Nachtwanderung angesagt – ohne mich. Ich muss mich ausruhen. Ich fühle mich noch beschei
dener, nehme Immodium und Ibuprofen und versuche, viel zu schlafen. Das wird mir durch Heike verdorben, die mich ungefähr hundertmal weckt, weil ich schnarche. Der Vorwurf ist etwa fünfzigmal falsch, da ich wach bin und irgendjemand in einer anderen Barackenzelle schnarcht.
Wecken ist für 5.20h angesagt. Ich komme mir immer mehr, wie beim Militär vor. Wir wollen Papageien an ihrer Minerallecke beobachten und dafür müssen wir früh los. Ich bin enttäuscht.
Die Minerallecke ist am anderen Ufer, wir sind etwa 300 Meter entfernt. Weder mit dem Feldstecher, noch mit dem Teleobjektiv ist viel auszumachen. Mir deucht, dass unser Raftabenteuer und das, für heute Nachmittag angesetzte, Seilklettern nur als Entschuldigung für nicht anwesende Tiere dienen muss. Zumal Heike von der Nachtwanderung enttäuscht war, da es nichts zu sehen gab. Ich konnte zumindest einen Frosch in einem der Toilettenhäuschen ausmachen. Er hat sich bei der elektrischen Beleuchtung leicht getan, den einen oder andern Käfer zu fangen. Nach dem Frühstück folgt eine Wanderung, um Kaimane zu beobachten. Das Boot bringt uns ans andere Ufer und ich weiß noch nicht, dass diese Wanderung dreieinhalb Stunden dauern wird. Kaimane gibt es keine, nur ein paar Vögel und zum Schluss einige Totenkopfäffchen, die in etwa fünfzehn Meter Entfernung unseren Weg kreuzen.
Als wir in der Lodge ankommen, muss ich zuerst Wasser trinken, dann aufs Klo und dann unter die Dusche. Ich liege im Bett, als die anderen vom Mittagessen kommen. Der Verzicht fiel mir leicht. Bis zum Klettern sind es noch zwei Stunden, die unsere Gruppe mit Schwimmen verbringt. Ich bleibe im Zimmer und versuche zu schlafen. Zwei Stunden später bricht ein tropisches Gewitter los und der Regen trommelt aufs Wellblechdach. Bei fast vierzig Grad. Jeder Windhauch ist willkommen und ich nutze die Zeit auf der Terrasse für das Reisetagebuch. Oh, gleich fünf. Mal sehen, ob jemand in der Küche ist und Bier verkauft.
...Nein, das Bier ist alle. Die Kletterer bekommen Wein. Ich will hier weg. Aber nicht in diesem Auto für palästinensische Selbstmörder.
Nachlese:
Das Kapitel war eigentlich beendet, denn morgen früh geht es in 11 Stunden zurück nach Cusco. Aber dieser Abend, besser: dieses Abendessen ringt um Beachtung. Mosquitos in der Suppe, wegen des Gewitters ist der ganze Speisesaal voll. Diese UV-Insektenkiller kennen sie hier nicht. Meine Nachbarin verschluckt eine Motte. Es ist einfach nur ekelig. Am Nachbartisch (mit der lauten Italienerin, deren endloses Gesabbel sich anhört, als ob man eine Uzi leerschießt) werden die Köchinnen gefeiert. Keiner an unserem Tisch weiß, was die gegessen haben. Morgen in Cusco möchte ich zu McDonalds. Die haben Hygienestandards – auf der ganzen Welt.
Nachlese II:
Ein tropisches Gewitter im Regenwald muss man einmal erleben. Die Tropfen prasseln im Stakkato auf dem Blechdach und man kann sich kaum noch unterhalten. Jetzt fallen mehrere hundert Liter Wasser pro Quadratmeter vom Himmel. Ich wache in der Nacht auf und höre etwas Großes stürzen. Entweder einen Baum oder zumindest einen großen Ast. Am frühen Morgen folgt die Überraschung. Der Fluss ist auf mindestens die doppelte Breite angeschwollen und die breiten Kiesbänke, die wir gestern durchwandern mussten sind unter den Fluten verschwunden. Verschwunden ist auch eines der Boote. Es muss sich in der Nacht losgerissen haben.
Die Rückfahrt im Motorkanu ist jetzt dramatischer. Heike und ich sitzen vorne und werden notdürftig mit einer Plane geschützt. Trotzdem spritzt die Gischt uns nass und der Außenborder muss an einigen Stellen extrem kämpfen, um gegen die Fluten anzukommen. Die Wassermassen sind unberechenbar geworden und der Bootsführer mäandert uns durch die teilweise heftig wogenden Fluten. Bis wir wieder festen Boden unter den Füßen haben, geht mir die Haftungsausschlußerklärung nicht aus dem Sinn.
Nachlese III:
In einem vom Busfahrer unbeobachteten Moment habe ich den Mitreisenden das Spiel in der Lenkung vorgeführt. Es ist fast eine viertel Drehung, also eher um die 60° - 70°.

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