Dienstag, 9. Juni 2009

Südwestmesse 2009 - Das Grauen am Neckar

Hallo liebe Leute,

was macht der sozialisierte Schwabe, wenn er Mitte Juni ein paar Tage Urlaub hat? Er fährt auf die Südwestmesse. Seit 50 Jahren eine feste Einrichtung in Schwenningen, stets mit viel Tammtamm und dem Segen der Landesregierung begangen.

Immer locker bleiben, denke ich mir. Selbst an einem Dienstag um 12.00h ist am Messegelände der Teufel los. Die Straßen sind zugeparkt, die wenigen Polizisten bekommen das nur schwer in den Griff. Ich halte mich an die Beschilderung und lande auf einem Ausweichparkplatz, der - gefühlt - sich nicht mehr in Schwenningen, sondern eher in St. Georgen befindet. Egal, und rein ins Vergnügen (?). 5,50€ Eintritt sind ein moderater Preis.

Ich betrete das Gelände durch einen Nebeneingang und lande auf dem großzügigen Freigelände. Jetzt gibt es die Dinge für die großen Jungs: Trecker, Schlepper, Unimog, Rasentraktor, Gartenpflüge und so technisches Gerät. Autoanhänger in jeder Form und Größe. Herrlich! Aber schon lenken mich dunkle Wolken in die Zelte und Hallen. Und jetzt ist es auch bald vorbei mit den seriösen Angeboten.

Zunächst fällt mir auf, das unabhä
ngig von dem Hallenmotto (z. B. wohnliches Ambiente, Garten & Hobby) in jeder Halle mindestes ein Stand ist, der Wein aus dem Rheingau, Rheinhessen oder Baden anbietet. Und da geht es lustig zu. Man schaut nur in hochrote, verschwitzte Gesichter. Ja, auch wenn keine Kunden da sind, wird lustig weitergezecht. Wie wäre es sonst auch erträglich eine Woche auf so einem dämlichen Messestand zu verbringen.

Beim ersten, schnellen Hallendurchgang wird mir auch sofort klar, dass trotz der vielen Kochshows im privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein Problem tatsächlich noch ungelöst ist und unbedingter Aufmerksamkeit bedarf: Das Zerkleinern von Gemüse. Zahlreiche Stän
de bieten dem interessierten Publikum tatsächlich Schäl- und Schneidapparate an, damit Pappi auch mal wieder etwas Rohkost zu sich nimmt. Ich habe versäumt, die Anbieter zu zählen. Es waren, glaube ich, bestimmt mehr als fünf.

Gleich neben den Profischälern gibt es das nächste Highlight, etwa gleich häufig vertreten und ebenso überflüssig: Suppen. Tütensuppen. Pulver, dass man in Wasser einstreut und das dann eine Suppe oder so etwas ähnliches geben soll. Was sagt der Johann Lafer bloß dazu? Es gibt auch einige Gewürzstände. "Einfach in Ketchup einrühren und fertig ist der Dip!", ist mir im Gedächtnis geblieben. Ich hätte fragen sollen, was dagegen spricht, gleich einen Dip zu kaufen. Dann hätte ich mir das Rühren gespart...

So und jetzt mal die harten Fakten: Zum großen Teil Idioten; Aussteller und Publikum; und ich mittendrin. Hier meine schönsten Stücke: Diese Dame jenseits der Fünfzig ist nicht nur irgendeine Dame jenseits der Fünfzig; nein - das ist die Kräuterfee aus der Schweiz. Steht jedenfalls auf dem Schild über ihr. Ihre Kräuter (aus der Schweiz) helfen unter anderem gegen Inkontinenz und Diabetis. Außerdem sind die Krankheiten weitestgehend mit mangelnder Durchblutung zu erklären (steht auf ihrem Schild). Naja, in Deutschland sind selbst Aspirin apothekenpflichtig, die sonst überall auf der Welt in Drogerien oder gut sortierten Lebensmittelläden zu haben sind. Das nun ausgerechnet die schweizer Kräuterfee das alles mit ihrem Grünzeug heilen darf, kann ja dann wohl nur mangelnde Kontrolle deutscher Behörden zuzuschreiben sein. Oder die Dame verkauft uns alle für blöd. Wer weiß das schon?

Und gleich geht es weiter:

Auch nicht totzukriegen: Der Silbereiniger. Ich weiß bereits seit meinem ersten Chemiebaukasten (und das war so Anfang der 70er Jahre), dass man etwas Salz in das Wasser macht und dann das schwarze Silbersulfit abgebaut wird. Der Trick ist die Alufolie, da das Aluminium chemisch unedler ist. Das wissen aber offensichtlich immer noch nicht alle Leute und kaufen diese ominösen Pülverchen für ein Schweinegeld - das ist Kochsalz, Ihr Deppen. Mann, seid Ihr alle blöd.

Ohne die geht es auch nicht. Der Idiot geht auch noch zur Seite, als ich mit der Kamera ansetze, damit ich sein selten dämliches "Gott ist Liebe"-Plakat auch gut erwische. Mann, warum kommt da eigentlich immer nur die Kreisklassenmannschaft. Deren intellektueller Anspruch liegt ja IQ-mäßig zwischen Knäckebrot und Zwieback. Die sind so dumm, die schwimmen sogar auf Milch. Also mich liebt weder Gott noch Jesus, weil ich mich über die und die viertklassigen Vertreter immer lustig mache. Allerdings hat mich bislang auch noch kein Dämon heimgesucht (nach eigenem Ermessen). Ach, ich brauche jetzt etwas noch Lustigeres.

Sieht Ihrer Meinung nach, so jemand aus, der besser sitzt? Ich denke, nein. So sieht eine Dame aus, die aufgrund ihrer sitzenden Tätigkeit und aufgrund von Vernachlässigung ihres Beckenbodens massive Probleme mit der Verdauung hat und dringend mal eine Klinikpackung Laxofit einwerfen sollte. Die stemmt sich da mit beiden Armen hoch, die Hand im Schritt. Das kann nicht gutgehen. Wer macht eigentlich für diese Provinzunternehmen die Werbung? Bestimmt dieser Körner- und Müsliidiot aus dem Odenwald. Wenn einer keine Ahnung hat, dann doch der, oder?

Aber jetzt wieder zu den ernsten Dingen:
Also oben, da geht es um Fußzonenreflexmassage. Hmm, tja. Ist ja ein weites Feld. Ich habe mir das mal angeschaut. Oben an der Spitze des großen Zehs, liegt also die Reflexzone für das Schädeldach (wirklich!). Da muss sich ja jemand ganz mies mal den großen Zeh angestoßen haben und das hat sofort aufs Schädeldach durchgewirkt. Denn ohne Dachschaden kann man ja so einen Dreck nicht verkaufen und ohne massive mentale Einschränkung auch nicht kaufen, oder? Das Foto daneben zeigt das Poster eines Herstellers für Einlegesohlen. "Gehen wie auf Wolken" verspricht er. Ok, wenn schon jemand mal auf Wolken gegangen ist, kann er das ja hier im Kommentar beschreiben. Dann kann man sich ja mal so vorstellen, wie das ist, auf Wolken zu gehen und dann doch eine Kaufentscheidung für diese Einlegesohlen treffen.


Auf diesem etwas - naja - sparsamen Stand bietet der junge Freund alternative Heilwege an. Was genau, hätte ich vermutlich erfragen müssen, das gab die Beflaggung bei einer schnellen Durchsicht nicht her. Auf dem Poster ist dann noch etwas über das psychosomatische Kräftespiel im Körper zu erkennen, aber für mich eigentlich nicht. Mein Tipp: Beim nächsten mal einfach das Poster korrigieren: Alternative Heilwege --> alternative HeilSwege und dann mit auf den Stand der Jesusdeppen. Das spart die teure Standgebühr.

Hier ist etwas zum Ausrasten: Es gibt seit kurzem in Deutschland ein Apothekenbestandsschutzgesetz. Also nicht wirklich, aber der Gesetzgeber muss die dummen, einfältigen, unzurechnungsfähigen Bürger vor den Internetapotheken schützen. Denn man muss ja in der 'richtigen' Apotheke beraten werden. In dieser Messeapotheke (Apotheker haben eine wissenschaftliche Ausbildung) gibt es homöopathische Mittel. Echte Naturwissenschaftler oder Ingenieure wissen, dass das Scharlatanerie und Humbug ist. Aber die verkaufen so einen wirkungslosen Quatsch. Die könnten sich auch mal ein bisschen schämen.

Und jetzt der Hammer. Ich hatte fast schon nicht mehr damit gerechnet, dann aber doch noch gefunden. Schade, dass Henryk M. Broder bereits seit geraumer Zeit nicht mehr den "Schmock der Woche" verleiht. Hier ist mein Favorit für den "Oberdeppen des Monats":

Erdstrahlen und Wasseradern. Mit der Wünschelrute detektiert. 5€. Super. Und so billig. Ich wette, da hinten in der Matratze sind Magnete eingenäht. Hilft! Dem Verkäufer in jedem Fall. Irgendwie ist es bitter, dass sich seit dem Mittelalter Berufsgruppen wie Gaukler, Quacksalber und Alchemisten bis heute gehalten haben. Trotz Aufklärung und Französischer Revolution.

So, das war es für dieses Jahr. Im nächsten Jahr gehe ich die Messe wieder ab, werde mich aber nicht mit Fotos begnügen. Ich steige dann in die Diskussion ein. Mal sehen, ob es dann ein Hausverbot gibt.

Euer

Arne

3 Kommentare:

  1. Schöne Bilder! Schöne Messe.
    Gabs keine Socken?

    Ach, was hab ich wieder schönes verpasst.

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  2. Ich möchte bitte mit dir mal eine "Esotera" besuchen, so mit Aurenwasser und so. Oder noch besser: wir mieten einen Stand und bieten eine Fußschweißcharakteranalyse an, für mindestens 350 Euro. Geilst!

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  3. .... oder Brustvergrößerung durch Handauflegen. Auch ein Klassiker, der nicht umzubringen ist. Ich kann es gar nicht mehr abwarten: "Fräulein, machen 'se sich mal frei."

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