Sonntag, 7. Juni 2009

Meine schönste Dienstreise

Meine schönste Dienstreise

…. und wie sie begann; oder auch nicht, am 28. Oktober 2007.

Kirchheim unter Teck/Stuttgart

Also, die Air France Mitarbeiter solidarisieren sich mit den deutschen Lokomotivführern, oder wollen sie etwa auch einen eigenen Tarifvertrag? Wer weiß das schon? Jedenfalls waren die Streiks angekündigt, aber die Überseedestinationen seien nicht betroffen, hatte es geheißen. Allerdings konnte ich bereits am Freitag feststellen, dass mindestens zwei Flüge ab Stuttgart nach Paris ausgefallen waren. Glücklicherweise betraf das lediglich die weniger frequentierten Mittagsflüge. Aber am Samstagmorgen war alles klar und mein Flug von Stuttgart über Paris nach Rio de Janeiro und weiter nach Belo Horizonte war ja der erste um 7.15 Uhr.

Aber ‚Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste’. In regelmäßigen Abständen hatte ich den Status meines Fluges nach Frankreich im Internet überprüft. Alles klar! Ja, bis abends um 19.00 Uhr oder etwas später. Der größte Teil des Koffers war gepackt, die Bügelwäsche und das elende Falten und Verpacken der Südamerika-Garderobe lag weitestgehend hinter mir: Auf der Webpage des Stuttgarter Flughafens war nach wie vor alles klar für 7.15 Uhr, aber ‚Ach, du Schei…, auf der Air-France Webpage war der Flug bereits annulliert. Freundlicherweise hat sich dann bei der Servicenummer der Air France bereits niemand mehr gemeldet. Service wird ja offensichtlich auch nach 19.00 Uhr nicht benötigt, wenn der Flug am nächsten Morgen sowieso ausfällt. Nach intensiver Suche fand ich dann aber die Servicenummer des Stuttgarter Flughafens. Dort gibt man mir auch bereitwillig und kompetent Auskunft: „Jo, hier bei unsch; jo, hmm, däh isch halt so halb annulliert.“ Mir wurde dann auch gleich anempfohlen den Ticketschalter in Frankfurt anzurufen. Wieder eine 0 180-Nummer. Service kostet halt Geld. Aber um 20.02 Uhr ist dann da auch niemand mehr. Nur noch die automatisierte Ansage der Öffnungszeiten. Aber, da ja eh kein Flieger nach Paris geht….

In weiser Voraussicht (Program Manager eben) hatte ich mich schon vorab nach Alternativen umgeschaut. Billigflieger war nicht. Klar, am Sonntagmorgen bekommt man die Flieger nicht voll. Aber die Bahn… die Bahn fährt immer! Um etwa halb zwölf gibt es einen Nachtzug nach Paris. Der wäre um cirka halb sieben am Gare de l’Est. Ausreichend Zeit, um mit dem Taxi oder einem Shuttle zum Flughafen Charles de Gaulle zu kommen. Also wird sofort der Koffer fertig gepackt, noch einmal duschen und dann los. Nein, noch nicht. Vielleicht wäre es besser, online zu buchen. Dann hätte man wenigstens etwas in der Hand. Leider ist die Onlinebuchung für den Nachtzug termingebunden und jetzt, cirka zwei Stunden vor Abfahrt, nicht mehr möglich. Egal, ins Auto und hin. Doof wenn man dann um 22.28 Uhr vor der geschlossenen Schalterhalle steht und feststellen muss, dass die um 22.30 Uhr geschlossen wird. Zeitsprung, oder auch Solidarisierung mit den streikenden Kollegen? Die nächsten uniformierten Ansprechpartner waren dann zwei Bahnaufsichten, die besoffenen Fußballfans erklären mussten, dass im Bahnhofsgebäude Rauchverbot herrscht. Aber freundlich wie sie sind (die Uniformierten, nicht die besoffenen Fußballfans), begleiten mich beide zum Fahrkartenautomaten, um festzustellen, dass auch hier der Nachtzug nicht buchbar ist. Das hatte ich fünf Minuten vorher aber bereits auch alleine ermittelt. Allerdings konnten Sie mich an den Serviceschalter verweisen. An dem war ich kurz vorher – offensichtlich partiell erblindet – vorbei gerannt, weil ich die Bahnsteige und Anzeigetafeln auf der rechten Seite im Blick hatte. Auf der linken Seite ist auch nach 22.30 Uhr der Serviceschalter mit zwei (!) Mitarbeitern besetzt.

Der Nachtzug ist so kurzfristig nicht mehr buchbar. Man kann jedoch bei Ankunft den Zugleiter ansprechen und direkt vor Ort buchen und bezahlen. ‚Erfahrungsgemäß ist da immer noch ein Plätzchen frei’, wurde ich beruhigt. Bei fast einer Stunde Wartezeit bietet sich dann ein kurzer Abstecher auf die Königsstraße an. Die an einem eher kühlen Oktoberabend allerdings auch an Charme vermissen lässt. Die letzen 20 Minuten bis zur – verspäteten – Ankunft des Zuges verbrachten wir auf dem Bahnsteig. Ich sprinte, nachdem der Zug endlich gehalten hat, zum Schaffner und frage ihn nach den Vakanzen. ‚Nichts zu machen’ war die knappe Antwort. ‚Wir bekommen noch viele Fahrgäste in Karlsruhe dazu. Wir haben aber keine Reservierungsliste und deshalb kann ich keine Fahrscheine mehr verkaufen.’


Die Frage, wie es sein kann, dass man sich damit brüstet, mit 320 Km/h die Alternative zum Fliegen sein zu wollen, aber keinen Überblick über die Reservierungen hat, spare ich mir. Alles Mist! Die simpelste Idee kommt mir erst auf dem Heimweg. Die Buchung lief ja über American Express; eventuell haben die eine 24h-Hotline. Haben Sie! Steht auf meiner Buchungsbestätigung. Allerdings hatte ich bislang noch nie soweit unten gelesen. Dort war man auch nach einer doch recht kurzen Warteschleife ohne Problem bereit, mir zu helfen. ‚München ist belegt, wie weit ist Zürich von Ihnen entfernt?’ Nach einer kurzen Absprache mit meiner persönlichen Kanzlerin wurde dann Zürich gebucht. Der Rest des Fluges bis Belo Horizont blieb gleich.

Das bedeutete, jetzt um kurz nach eins ins Bett und um kurz nach vier wieder raus. Aber erfreulicherweise eine Stunde Zeitgewinn durch die Umstellung von Sommerzeit auf Normalzeit. Das Tanken zahle ich, das kommt mit auf die Spesenrechnung. Von Kirchheim nach Zürich sind es locker 220Km. Ohne Pickerl haben wir es dann auch auf den Landstraßen der Schweiz in Rekordzeit durch Schaffhausen und Winterthur bis nach Kloten geschafft! Super, alles wird gut.

Zürich

Leider nicht gleich. Die Überseeflüge fallen aus. Kurzfristig ist die Anweisung an das Flughafenpersonal in Zürich ergangen, niemanden nach Paris zu lassen, der von dort aus mit Air France weiterfliegt. Das konnte der hilfreiche American Express Mitarbeiter vor knapp sechs Stunden offensichtlich noch nicht wissen. Ich werde an den Schalter der Air France verwiesen.

Ein Verschieben des Fluges auf Montagmorgen (das würde mir zumindest den freien Sonntag bringen) geht aber nicht. Der Streik dauert voraussichtlich auch noch am Montag an. Ich müsste also bis zum Dienstag verschieben, mit Ankunft am Mittwoch. Zu spät für die vielen Dinge, die zu erledigen sind. Also wird mir eine intelligente Variante herausgesucht: Von Zürich nach London. Von London nach New York. Von New York nach Rio de Janeiro mit Zwischenlandung in Sao Paulo. Von da mit der TAM nach Belo Horizonte. Überall drei bis vier Stunden Aufenthalt und Ankunft am Montagnachmittag in Belo. Was soll ich machen? Es gibt kaum eine Alternative.

Das Gepäck wird zwar bis Rio durchgecheckt. Aber vom letzten Mexikourlaub weiß ich natürlich, dass ich für den Transfer in den USA die komplette Einreiseprozedur über mich ergehen lassen muss. Gepäck aufnehmen, mit dem grünen Waiver (Aufenthaltsort in den USA: TRANSFER TO RIO DE JANEIRO) in der Hand muss ich den Koffer abholen, durch den Zoll und dann gleich wieder aufgeben. In Brasilien sowieso. Erst Einreise und dann noch einmal für Belo einchecken. Die TAM gehört nicht zu dem elitären Kreis der Fluggesellschaften, die den Systemzugriff untereinander regeln. Wird wirklich alles gut? Außerdem weist mich die freundliche Dame am Schalter noch darauf hin, dass mein Koffer zu schwer ist. Zwar seinen zwei Gepäckstücke á 23 Kg erlaubt, also insgesamt 46 Kg. Aber kein Gepäckstück darf eben über 23 Kg wiegen.

Das ist das AKSE-Messgerät, das ich noch durch den brasilianischen Zoll schmuggeln werde. Das hat schon den Overnight Express aus Bremen nicht überstanden. Irgendetwas hat im Gehäuse geklappert. Ich habe dann als alter Elektriker das Gerät aufgemacht und festgestellt, dass sich einer der steinzeitlichen Prozessoren (etwas streichholzschachtelgroß und sauschwer) selbstständig gemacht hatte und aus dem Sockel gerutscht war. Diverse Kabelverbindungen sind auch eher locker als fest. Ich habe es zwar zusammengesteckt, aber die brasilianischen Kollegen werden es richten. Jedenfalls wiegt das ganze Gerät mit Gehäuse, Leitungssätzen und dem Sensor schätzungsweise so an die sechs bis acht Kilo. Das Übergepäck wäre sowieso mit auf die Reisekostenabrechnung gekommen – dienstliches Übergewicht sozusagen. Das klingt aber jetzt wie Kummerspeck auf der Arbeit. Aber die gute Frau vom Flughafen Kloten lässt noch einmal alle Fünfe gerade sein und glaubt mir, dass ich das Messgerät in Brasilien lasse und auf dem Rückflug um einiges leichter sein werde. Außerdem fliege ich mit KLM zurück, falls die nicht streiken.

Jedenfalls hocke ich hier in Zürich ohne einen einzigen Schweizer Franken in der Tasche (wann kriegen die endlich den Euro?) und habe noch drei Stunden Wartezeit vor mir. Und der fehlende Schlaf macht sich auch bemerkbar. Meine Kanzlerin ist auf dem Heimweg ins eigene Bett. I feel dizzy.

London

Ha, ich bin in London. Bereits eine ganze Weile. Und teilweise entblößen musste ich mich auch, wie alle anderen. Selbst ohne Verlassen des Sicherheitsbereichs heißt es: Schuhe aus und Gürtel aus der Hose. Hat aber nichts genutzt, der Metalldetektor hat trotzdem gepiept. War wohl meine Brille oder der Quarterpounder am Handgelenk (eine echte russische Poljot). So, und jetzt bin ich immer noch oder bereits wieder dizzy und gleich geht es weiter nach New York. In einer fetten 747-400.

Mittlerweile sammelt sich hier am Gate eine illustre Community Amerikareisender. Die Hälfte spielt mit dem Mobiltelefon, die Jüngeren mit irgendeinem anderen elektronischen Firlefanz. Genau, apropos Firlefanz: Ich habe ein wunderschönes Lederetui für meinen ipod touch erstanden. Hat sich ja schon gelohnt (17 GBP). Au, es geht los. Außerdem fliegen alle größeren Weltreligionen mit. Man kann Kippas, Turbane und einige muselmanische Strickmützen ausmachen. Aber alle vertragen sich oder nehmen gar keine Notiz voneinander. Ich habe noch nicht einmal eine LEAR-Kappe dabei. Und das ist ja auch das äußere Zeichen einer bestimmten weltanschaulichen Zugehörigkeit. Ich muss weg! I feel dizzy.

New York

Ja, unter anderen Umständen… Jetzt bin ich zum x-ten Male in New York. Aber weiter als bis zum Kennedy-Airport habe ich es noch nie gebracht. Die Einreiseformalitäten habe ich problemlos bewältigt. Seit dem Mexikourlaub, den ich ebenfalls über einen US-Airport antrat weiß ich, dass im Feld für die US-Adresse ‚Transit to Brazil’ oder so etwas Ähnliches stehen muss. Der Zollbeamte hat interessiert festgestellt, dass ich als Reiseroute ‚Switzerland’ und ‚UK’ angab. Glaubt mir auf Nachfrage aber sofort, dass ich weder Appenzeller noch Cheddar mitgebracht habe (ernsthaft: er hat wirklich gefragt, ob ich Käse dabei habe). Den Re-Check-In-Schalter habe ich auch sofort gefunden und ich wurde sogar gewissermaßen erwartet. Die Dame (schwarz, mein Gewicht aber gut eineinhalb Köpfe kleiner) hat eine Liste der weiterreisenden Passagiere, sogar wenn sie mit einer ausländischen Airline gekommen sind. Hier könnte die Deutsche Bahn etwas lernen. Die wissen noch nicht einmal wie viel Plätze sie im Nachtzug verkauft haben (siehe weiter oben).

Ein schöner großer Flughafen ist das. Das Personal ist durchgehend freundlich, ich werde zum Air-Train zum Terminal 8 gewiesen. Man achtet sogar darauf, dass ich in den richtigen Zug, beziehungsweise in die richtige Richtung einsteige. Die Sicherheitskontrollen sind gut besetzt, die Wartezeiten vor den Schaltern und Schleusen erträglich und meine brasilianische Gürtelschnalle beschert mir eine Extrarunde durch den Metalldetektor. Und warten, warten, warten. Noch einmal fast drei Stunden bis zum boarden und fast vier Stunden bis zum Abflug. Ich gewöhne mich an die Dizziness. Aber nicht an das Sodbrennen nach dem letzten British Airways Imbiss an Bord. Neben dem überall gesprochenen Spanisch, dass vermutlich bald das Englische in den USA verdrängen wird, höre ich jetzt die ersten portugiesischen Wortfetzen (mannomann brüllt die in die Sprechmuschel – ist ihr Gesprächspartner taub? Und laufend ‚tutto bom’) einiger Mitreisender nach Sao Paulo.

Jawohl: Sao Paulo. Der Flug geht nicht direkt nach Rio, sondern macht noch einmal eine Zwischenlandung in Sao Paulo. Mit mir kann man ´s ja machen. Hoffentlich habe ich mich geirrt und der Flug nach Sao Paulo hat eine Zwischenlandung in Rio. Die Computeruhr zeigt 1.45 Uhr. Vor gut 24 Stunden bin ich für einen kurzen Schlaf ins Bett gegangen. Ich habe gerade erst die Hälfte der Strecke geschafft. Aber man muss auch die positiven Seiten sehen: Das ist ganz schön viel Flug fürs Geld und man sieht eine Menge… Flughäfen. Leider gehört keine der Airlines zum Skyteam. Null Meilen auf mein Konto. Mann, da wäre was zusammengekommen.

Sao Paulo

Nein, es ist kein Wunder geschehen. Der Flug hat in Sao Paulo Zwischenlandung. Eigentlich wechseln wir sogar das Gate und den Flieger. Aber ich habe den halben Flug verschlafen und bin einigermaßen ausgeruht. Und eine Dusche wäre wohl nötig. Gerade hat sich ein Mitreisender hier von mir weggesetzt! Die Uhr zeigt 13.25 Uhr. Vor sechsunddreißig Stunden bin ich letztmalig in mein eigenes Bett gegangen. Um 11.15 Uhr sollte es eigentlich weitergehen. Aber jetzt um 10.30 Uhr tut sich noch nichts am Gate. Da bin ich mal gespannt. Eine Stunde Verzögerung ist normal in Brasilien. Aber ich habe noch einen Anschlussflug nach Belo. Das dürfte spannend werden. Zumal in Rio noch die Zollformalitäten auf mich warten. Und bislang habe ich für den Flug mit der TAM nur ein Ticket, aber keine Bordkarte. Eine Zollkarte mussten alle ausfüllen, die jedoch noch niemand in Empfang genommen hat. Die wichtigen Dienstanrufe sind erledigt. Jetzt geht es hoffentlich bald weiter.

Rio de Janeiro

Ein kurzer Flug von gerade mal fünfunddreißig Minuten. Die Einreiseformalitäten gehen schnell, unpersönlich und unkompliziert wie immer. Beim Koffer dauert es etwas länger, weil sich die American Airlines Kunden durch eine ganze Reihe Continental-Kunden mit Koffern, Kofferkulis und Handgepäck zum Band 8 schlängeln müssen. Aber dafür kommt mein Koffer früh. Als ich vor der kurzen Zoll-Warteschlange stehe, kann ich noch eben sehen, wie es ein Ehepaar trifft, die auf den Zufallsknopf drücken und prompt ein dumpfes Hupen und ein rotes Signallicht ernten. Die müssen ihre Koffer durch die Röntgenschleuse lotsen. Ich lege mir in aller Schnelle ein paar zündende Erklärungen zurecht, warum ich das AKSE-Messgerät mit dem Zubehör am brasilianischen Zoll vorbeischmuggeln wollte, habe dann aber grün und kann unbehelligt passieren. Wird alles doch noch gut?

Wohl nicht, denn die TAM-Schalter sind im anderen Terminal. Am entferntestmöglichen Punkt – wenn man mal davon absieht, dass es ja auch ein anderer Flughafen hätte sein könnte (es gibt mindestens zwei in Rio). Aber auf dem Weg durch die Gänge kann ich schon einmal einen schnellen Blick auf den Corcovado werfen. Also wieder daheim – in Südamerika. Und es fällt mir sofort wieder auf, dass die Mädchen brauner, die Röcke kürzer und die Fußbekleidung sparsamer ist. Das Einchecken funktioniert dann wiederum problemlos und die junge Dame spricht Englisch. Meinen Koffer bin ich los. Jetzt hätte ich gerne etwas zu Essen. Zwar baut das Herumlungern in irgendwelchen Flugkörpern nicht unbedingt viele Kalorien ab, aber ich habe ein oder zwei Mahlzeiten während des langen Fluges von New York nach Sao Paulo verschlafen. Das macht sich dann jetzt auch bemerkbar. Allerdings haben offensichtlich auch die brasilianischen Geldautomaten mit den deutschen Lokführern und den Air France Besatzungen fraternisiert. Alle verweigern die Arbeit mit einer Begründung in Portugiesisch, die ich nicht verstehen kann. Sei `s drum. Ich bekomme auch im BH Shopping Bargeld. Jetzt muss eben das Tauschen meiner letzten fünfzig Euro genügen.

Der Kurs kommt mir angesichts der Höhenflüge des Euros recht mager vor. Geldautomat wäre doch wohl die bessere Alternative gewesen. Als Ableger der sonst üblichen amerikanischen Marken muss jetzt Bob’s Burgers herhalten. Aber in der Not frisst auch der Teufel bekanntlich Fliegen. Die nächsten Tage und Wochen werden mir wieder gegrilltes Fleisch in Hülle und Fülle bescheren. Da darf es jetzt etwas bescheidener sein. Zwar spricht das Personal bei Bob’s Burgers außer Portugiesisch nur Portugiesisch aber mit Händen und Füßen deutet man mir, eine Getränkewahl zu treffen (Guarana, was wohl sonst in Brasilien) und erläutert beflissen, aber für mich eigentlich nicht verständlich, das die Pommes an den Tisch gebracht werden. Nur noch knapp zweihundert Kilometer bis Juiz de Fora und etwa sechshundert bei Belo Horizonte und Betim. Jetzt wird langsam doch alles gut. Die heimische Uhr zeigt 16.45 Uhr. Vor jetzt 36 Stunden ging die Reise los und vor über 40 Stunden war ich zum letzten Male im eigenen Bett. Mittlerweile fühle ich mich auf den Spuren Alexander von Humboldts. Ich glaube, ich werde ihm diese Reise widmen, falls es nicht zu anmaßend ist.

Belo Horizonte

Endlich angekommen. „Es sind über 30°C“, hat der Flugkapitän bereits vom Cockpit aus verkündet. Strahlend blauer Wandkalenderhimmel mit einigen weißen Wolkenfetzen (Minas Gerais 2008), sengende Hitze in den Gangways und Hallen entlang der riesigen Fenster, die zum Rollfeld weisen. Auf meinen Koffer muss ich einen Weile warten und auch auf die junge Dame bei AVIS, die gerade mit dem Telefon beschäftigt ist. Dann hat sie irgendwann doch meine ‚veraltete’ Reservierung gefunden und legt mir zwei Zettel hin, auf die ich so ziemlich alle persönlichen und schützenswerten Daten aufschreiben muss. Vom Pass, Führerschein und der Kreditkarte macht sie dann noch Kopien – einschließlich der Rückseiten. Es wird schon seine Richtigkeit haben. Nachdem ich die Prozedur habe über mich ergehen lassen – Internationalität zeigt sich in Brasilien dadurch, dass man sein Portugiesisch mit ein paar fetzigen englischen Wortsprenkeln ergänzt – steht das Auto auch gleich um die Ecke bereit.

Das Erläutern der Versicherungsdetails und das Abgehen der diversen Vorschäden werden locker in Portugiesisch abgewickelt. Ich nicke nur mehr oder weniger heftig oder knurre ein ‚hmm, hmm’. Meistens komme ich damit durch. Ein schnieker VW Gol (= Polo) mit 1,6l Hubraum. Das ist für brasilianische Verhältnisse nicht schlecht. Klima hat er auch aber leider kein verstellbares Lenkrad. Selbst wenn ich den Sitz weit zurückpositioniere, und der geht ziemlich weit zurück, könnte ich auch mit den Oberschenkeln lenken. Daihatsufahrer sind nun mal verwöhnt. Ab auf die Autobahn.

Bis zum Hotel schaffe ich es fast ganz ohne Verfahren und der Koffer wird mir auch auf das Zimmer gebracht. Endlich auspacken – dieser Aufenthalt dauert nicht nur ein oder zwei Nächte und dann endlich, endlich unter die heiße Dusche. Alles klebte am Körper und das wird auf die Dauer unerträglich. Dann war ich anschließend noch in der Mall. BH Shopping kennt mich aus den vorherigen Aufenthalten als solventen Kunden. Parkplatzprobleme gibt es auch nicht in der abendlichen Rush Hour und ich kann mir den Kofferraum mit Getränken für die nächsten Tage volladen. Dann kann ich den Hotelportier auch noch davon überzeugen, dass ich ins Internet muss. Ein Tag ohne Email ist ein verlorener Tag und ich möchte lieber heute Abend bereits wissen, ob mich morgen früh eine Überraschung erwartet.

Eine der ersten Überraschungen sind die Emails der Air France. Die guten Leute haben sich am Samstagabend und am sehr frühen Sonntagmorgen auf meinem LEAR account gemeldet und mir empfohlen, die Reise bis zum 29. 10. zu verschieben. Volltrottel! Ich bin da! Am 29. Ich habe gewonnen!

Das waren jetzt reichlich über vierzig Stunden Reisezeit. Eigentlich muss ja der Zirkus mit der Bundesbahn und die Anfahrt zum Stuttgarter Hauptbahnhof und zurück nach Hause auch noch mitkalkuliert werden. Dann komme ich fast bei achtundvierzig Stunden heraus. Zwei ganze Tage auf den Beinen für eine Strecke, die man sonst ohne größere Probleme in elf Stunden Nettoreisezeit und etwa siebzehn bis zwanzig Stunden Bruttoreisezeit überwindet.

Morgen früh geht es nach Betim ins Werk. Endlich! Jetzt ist doch noch alles gut geworden.

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